Answer Code Request
Code
Code ist das Debütalbum des Berliner Produzenten Answer Code Request auf Ostgut Ton. Ob seine DJ-Sets, die zunehmenden Auftritte als Live-Act oder mit eindrucksvollen Releases auf Marcel Dettmann Records und seinem eigenen Label ACR – Patrick Gräser zählt als Resident-DJ im Berghain zu den spannenden, neuen Gesichtern des Labels. Nach der Breathe EP (o-ton75), seiner Debüt-Veröffentlichung auf Ostgut Ton, ist sein erster Langspieler nicht nur eine Frage der Zeit, sondern gar der logische Schritt gewesen.
Code ist ein Statement, denn es spielt und kokettiert nicht nur mit der Gretchenfrage der elektronischen Musik, welche Aufgaben und Perspektiven eine Techno-LP demonstrieren sollte, sondern stellt auch unsere gängigen Hörerwartungen in Frage. Denn während zumeist das Primat der Funktionalität als Paradigma in Stein gemeißelt zu sein scheint, kehrt ACR der bloßen Ansammlung von Dancefloor-Tracks den Rücken zu. Allesamt im letzten Jahr entstanden, stellen die zwölf Tracks ein originäres, andächtiges und erwachsenes Soundkonzept vor, das sich wie eine nebelverzogene Zeitreise präsentiert – sowohl durch die Einflüsse und Geschichte von Gräser, als auch durch Teilgebiete der Tanzmusik: von Detroit-inspirierten Elegien über den UK-Sound mit seinen Breakbeats und IDM-Bezügen bis hin zur warmen Seite des Berliner Techno der 90er-Jahre. Trotz der mitunter nostalgischen Tiefe, umweht Code eine geheimnisvolle Aura sowie mystische Stimmung, die sich wie ein roter Faden durch die Stücke zieht.
Beginnend mit dem ruhigen Titeltrack-Intro offenbart „Blue Russian“ gleich am Anfang Gräsers Verve für einen detaillierten Aufbau. Seine Synthese aus schwirrenden SciFi-Sounds und stoischer Percussion erarbeitet einen brodelnden Klimax, der immer wieder von den dramatischen Pads ernährt wird. Dass sein Entwurf von Autorentechno keineswegs nur als Skizze endet, verdeutlichte „Field Depth“ mit seinem Tandem aus warmen Synthis und den präzisen, kraftvollen Bassdrumschlägen. Es ist dieses UK-beeinflusste Design aus warmen und dunklen Klängen, das eine Mischung aus Klaustrophobie und Rastlosigkeit evoziert, aus der sich verzauberte Zwischentöne wie aus einer fremden Galaxie herausschälen. Mit dem Pfad der „Odyssey Sequence“ wird bedrohliches Terrain betreten, auf dem sich das Ambient-Synth-Arrangement klangmalerisch zu einem atmosphärischer Gleitflug entfaltet. Während „Zenith“ einerseits die Drum-basierte Fokussierung seiner Kompositionen betont, kommuniziert im Hintergrund eine melodische Figur, die neben Härte vor allen Dingen Momente der Sehnsucht und Hoffnung aufleuchten lässt.
„Relay Access“ führt diese labile Magie in Downtempo-Manier weiter fort, wobei jeder Beat, jede Fläche und selbst die rudimentär wirbelnden Spiralen ausreichend Raum zur Entfaltung genießen. Euphorie oder Ekstase sind wenn überhaupt nur als Skelette übrig, denn Gräsers Trademark zeichnet sich in erster Linie am Interesse für harmonische Motive aus. Für ihn ist die Übermacht der 4/4-Kick kein unantastbares Gesetz, eher wird wie bei „Status“ der Floor als Fixpunkt lediglich angedeutet, um im Einklang mit den mechanischen Hi-Hats und orakelhaften Flächen ein paar grummelnde Bassmodulationen zu vollführen. Die rasselnden Breaks von „Haul“ als auch das mantra-ähnliche Gebet „Spin Off“ verkörpern zusammen ein nonkonformistisches Ritual, ehe die britische Sängerin Elizabeth Bernholz, bekannt von ihrem Projekt Gazelle Twin, ihr eindrucksvolles Timbre zwischen Hauchen und choraler Andacht unter einem Herzschlag-Beat auf „Axif“ zum Pulsieren bringt.
Spätestens wenn die letzten Klänge des träumerischen „Thermal Capacity“ verklungen sind, ist das Bild von „Code“ halbwegs dechiffriert. Nicht nur fügt das Debüt von Gräser dem Katalog von Ostgut Ton eine sinnierende und erhabene Facette hinzu, es verzichtet vollkommen auf die Rückkopplung mit dem Dancefloor. Trotz der Verweise auf die historischen Wurzeln verbindet Answer Code Request seine Passion für Breakbeats, IDM-Nuancen und vielschichtigen Drum-Patterns zu einem modernen Listening-Album, das mit seinem nachdenklichen Impetus die moderne Seite der Jetztzeit atmet. Frisch und zeitlos.
All tracks written and produced by Patrick Gräser. Voice on „Axif“ by Elizabeth Bernholz.
Tracklist
- Code
- Blue Russian
- Field Depth
- Odyssey Sequence
- Zenith
- Relay Access
- Status
- Haul
- Spin Off
- By The Bay
- Axif
- Thermal Capacity
Release Date
09. Juni 2014
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