Shed
The Traveller
Braucht Techno das Format Langspielplatte? Anders: Kann Techno auf LP-Länge überzeugend funktionieren? Ein Blick in die Vergangenheit zeigt viel Dunkelheit, wenig Erleuchtung. Tracks für den Dancefloor, für den DJ, folgen einer Struktur, die einen auf Albumlänge schon einen verdammt perfekten Tanzteppich zu Hause ausrollen lassen müssen, um die Energie adäquat aufzusaugen zu können. Eine LP ist mehr als ein paar Floor-Hymnen gepaart mit ambienten Interludes und dem obligatorischen Downbeat-Experiment, muss mehr sein als ein Malkasten für die euphorischen Erinnerungen an vergangene Nächte, verschnitten mit kleinen Atempausen. Shed tritt diesen Beweis auf „The Traveller“, seinem zweiten Album für Ostgut Ton, mit Bravur an. „The Traveller“ ist keine Flucht in den sicheren Hafen des perfekten Tools für den Primetime-DJ, sondern vielmehr eine Ode an das immer noch laut und heftig pumpende Herz der elektronischen Tanzmusik. Für Shed war das nie deutlicher, prägnanter und stilprägender zu hören als in England Anfang der 1990er Jahre. Detroit, Chicago, Berlin: hinten anstellen, ihr habt eure Props schon bekommen. Dabei geht es Shed nicht um das technisch versierte Nachäffen von Schlüsselmomenten der Rave-Historie. Das eingegrenzte Zeitfenster beschreibt keinen festgelegten Sound, sondern ist Ausdruck einer ganz bestimmten Haltung, die uns auch heute noch mit Leichtigkeit die Augen und Ohren öffnet. Kein „Anything Goes“, kein Wischiwaschi-Eintopf, der unter dem Deckmantel des Ekklektizismus einen völlig verkochten Mischmasch als das große neue Ding verkauft, sondern vielmehr eine ungezähmte Faszination für Sound. Und Möglichkeiten. Shed hat diese am heutigen Tagesgeschäft gemessen fast schon naive Herangehensweise an sein zweites Album perfekt gelöst und verweist jegliche Erwartungshaltungen der Status-Quo-Wächter auf die hinteren Plätze. Immer wieder holt Shed mit kleinen Melodie-Fragmenten die Begeisterung für den Moment aus den Tiefen seines Studios, den wir, und das merken wir erst jetzt, seit Jahr und Tag so schmerzlich vermisst haben. Setzt Breakbeats, die mehr Geschichte in sich tragen als die Bassdrum der 909, dort, wo die 4/4-Attacke die offensichtliche Lösung gewesen wäre, gesteht dem Acid lediglich einen kurz angedeuteten Gastauftritt zu und setzt sich mit dem Erbe der minimalen Tanzmusik auf eine Art und Weise auseinander, die man so noch nie gehört hat. Und immer wieder Euphorie. Shed gelingt auf „The Traveller“ das Unfassbare, die Übersetzung des Techno-Tracks in ein kürzeres, knackigeres Format. Wie im Blitzlichtgewitter wechselt Shed Tempi und Stimmungen. Und doch sitzt jeder Schlag, alles verbindet sich kongenial zu einer groß angelegten Reise durch die Nacht, eine Nacht, wie man sie sich immer wünscht und doch so selten erwischt. Dabei ist Sheds zweites Album alles andere als altbacken, im Gegenteil. Wer von „The Traveller“ eine vom Kegel-Club der Techno-Rentner ausgerichtete Butterfahrt in Richtung Nostalgie erwartet, wird enttäuscht. Zum Glück. Das Album strotzt vor Ideen, spricht Dubstep genau wie den kategorischen Durchbruch. Die Tracks sind Steilvorlagen für alle, die noch genug Begeisterung in sich tragen, um etwas zu wagen. Dass Shed auch anders kann, hat er in den vergangenen Jahren nach „Shedding The Past“, seinem Debütalbum, längst bewiesen. Mit den beiden Labeln „Wax“ und „Equalized“ hat er sich zwei Plattformen geschaffen, um seine immer noch ungebrochene Begeisterung für die klassische „Track-Kultur“ auszuleben. Nur auf einem Album hat diese Art von Produktion nichts verloren. Damit das endlich wieder zu dem werden darf, was es immer war.
Text: Thaddeus Herrmann
Tracklist
Tracks CD
- STP 2
- Keep Time
- The Bot
- Atmo – Action
- 44A (Hard Wax forever!)
- ... Can't Feel it.
- Mayday
- No Way!
- HDRTM
- My R-Class
- Final Experiment
- The Traveller
- Hello Bleep!
- Leave Things
Tracks VINYL
A1 STP 2
A2 Keep Time
A3 The Bot
B1 Atmo – Action
B2 44A (Hard Wax forever!)
B3 ... Can't Feel it.
B4 Mayday
C1 No Way!
C2 HDRTM
C3 My R-Class
D1 Final Experiment
D2 The Traveller
D3 Hello Bleep!
D4 Leave Things
Release Date
30. August 2010Gelegentliche Neuigkeiten und Ankündigungen im E-Mail-Newsletter
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