Barker & Baumecker
Transsektoral
Techno gibt es in den verschiedensten Formen. Nur wenige Outfits verkörpern diese Wahrheit zur Zeit besser als die Berliner Barker & Baumecker. Bis vor kurzem war der eine noch als Voltek umtriebig, der andere seit jeher als nd_baumecker. Beide stehen für sich genommen bereits für eine unkonventionelle Sicht auf Techno, die den Einfluss anderer Genres – von Glitch, über Dubstep, bis zu Ambient und darüber hinaus – schon immer Willkommen geheißen hat. Ihr bisheriger Output auf Ostgut Ton vermittelt deutlich den Eindruck, dass die zwei eine Menge von elektronischer Musik verstehen. Ihr Debüt-Track „Candyflip“ ist ein neunminütiges Opus, das Broken Beats genauso dekliniert, wie es trance-ige Untertöne anschlägt, dabei noch eine Million anderer Dinge streift und dennoch als zusammenhängendes, selbstbewusstes Statement daher kommt.
Darum sollte es kaum überraschen, dass ihr gemeinsames Debüt-Album nun als vielseitiges Prisma funktioniert, in dem sich Techno in einem Reichtum an Facetten bricht. Der Titel „Transsektoral“ verweist dabei auf den Anspruch des Duos, ein weites Spektrum elektronischer Musik zu vermessen. Und den Anspruch lösen sie ein, indem sie auf den ersten Blick unmöglich erscheinende Brücken schlagen: Vom dubbig-tropfenden Ambient des Openers „Sektor“ bis zum sprudelnden Epos „Spur“, das am Ende wie ein dekonstruierter Happy Hardcore-Track das besänftigende letzte Wort hat und jemandem wie Dntel auch nicht schlecht zu Gesicht gestanden hätte.
Was zwischen diesen beiden Polen geschieht, ist nichts anderes als Alchemie, die sich einer Vielzahl an Zutaten bedient, ohne dabei jemals den Faden zu verlieren. Das Ganze wird durch ein feines Gespür für Sounddesign zusammengehalten. Barker & Baumecker haben es zum Prinzip erhoben, ihren umfangreichen Maschinenpark immer gemeinsam zu bedienen. Egal in welches schwarze Loch sie sich kopfüber stürzen, Ihr Sound bleibt immer makellos und reich an unerwarteten Details wie z.B. HiHats, die sich in Ecken tummeln, in denen man sie nie vermutet hätte.
Trotz des artifiziellen Ursprungs strahlt hier jeder Bestandteil eine satte Lebendigkeit aus. Das Album springt von elastischem House mit Garage-Anleihen („No Body“) zum überschwänglichen, tonnenschweren „Buttcracker“, das in Acid badet, nur um danach noch einen Gang höher zu schalten. Und dennoch fühlen sich solche Sprünge nie wie die gigantischen, stilistischen Verlagerungen an, die sie eigentlich darstellen. Stattdessen wirken sie auf wundersame Weise rund und schlüssig, so dass sich der in jedem Track spürbare Sinn für Aufbau und Entwicklung ebenso über das gesamte Album spannt.
Dieser Eindruck entsteht nicht zuletzt durch die wohlbedachte Abfolge der Tracks. Auf fordernde Passagen - wie etwa „Schlang Bang“, auf dem HiHats und Snares gegen einen Strom von überdrehten Basslines schwimmen; oder die flüssig-pumpenden Grooves auf „Trans_It“ – folgen kurze, mit üppigen Texturen ausgestattete Interludes wie z.B. „Tranq“, wo es unter einem Teppich aus funkelnden Synths beruhigend rumpelt.
Das Album wird durch ein Prinzip von Ebbe und Flut zusammen gehalten und wendet was in den falschen Händen nicht funktionieren könnte, in eine überaus angenehme Exzentrik, die mit „Crows“ zur Mitte des Albums ihren Gipfel erreicht: In das düster anmutende, unterschwellige Brodeln schmettert plötzlich ein wie eine Horn-Fanfare klingendes Signal und verpasst dem Track eine unerwartete Wendung, die sich nach nur kurzer Zeit schon wieder völlig natürlich anfühlt.
Je weiter das Album voran schreitet, desto mehr verdichtet sich die Spannung. Fast ganz am Ende entlädt sie sich dann doch und sucht sich ein Ventil im überwältigenden „Silo“ - ein Track der die Verbundenheit der Produzenten mit dem Berghain verrät (Barker ist hier verantwortlich für die Leisure-System-Nächte und Baumecker ist dort nicht nur Booker, sondern auch langjähriger Resident-DJ). Erst wirken die von zähen Basslines und peitschenden Kicks in die Mangel genommenen Hats wie die einzige Konzession an ein herkömmliches Verständnis von Techno. Hört man jedoch genauer hin, fällt auf, dass hier kein Element unbehandelt bleibt. Alles wirkt merkwürdig elastisch und magnetisch, ganz als ob sich der Beat mit jedem Schlag dehnt und dann an seinen Platz zurückschnellt. Der Track veranschaulicht essenziell, was für Barker & Baumeckers „Transsektoral“ auch im Ganzen gilt: In seiner praktsichen Umsetzung ergibt sich ein perfekter Sinn. Der Versuch aber, es in Worte zu fassen, ufert entweder aus, oder greift zu kurz und bleibt so zwangsläufig unverständlich. Bleibt zum Schluss nur die Frage, welcher Zauber am Werk war, um all dies tatsächlich zu verwirklichen.
Text: Andrew Ryce
Tracklist
- Sektor
- Trafo
- Schlang Bang
- Crows
- Tranq
- No Body
- Trans_it
- Databass133⅓
- Buttcracker
- Silo
- Spu
Release Date
10. September 2012
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